Kündigung wegen Krankheit oder während Krankheit oder wegen häufigen Kurzerkrankungen

Der Krankenstand in deutschen Betrieben ist seit geraumer Zeit besorgniserregend hoch, die Lohnfortzahlungskosten machen Milliardenbeträge aus und die Produktivität leidet. In dieser Situation rücken wieder einmal Arbeitnehmerrechte in Krankheitsfällen in den Fokus. Rechtsanwalt Sendler: „Arbeitnehmer in Deutschland haben im Falle unverschuldeter Krankheit einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung von sechs Wochen. Dauert die Krankheit länger als sechs Wochen, zahlt die Krankenkasse das Krankengeld.“

Das Krankengeld beträgt etwa 70 % des Nettoentgelts. Deshalb entsteht häufig Streit über die Frage, ob eine gegebenenfalls erneute Erkrankung auf derselben Krankheit beruht, wegen der die sechs Wochen bereits verbraucht sind, oder ob eine neue Krankheitsursache eingetreten ist und damit die sechs Wochen ungekürzter Entgeltfortzahlung erneut zu laufen beginnen.

Wann ist eine Kündigung wegen Krankheit rechtlich zulässig?

Grundsätzlich darf ein Arbeitsverhältnis nicht wegen der Krankheit gekündigt werden, wohingegen es ohne weiteres zulässig ist, einer erkrankten Arbeitnehmerin oder einem erkrankten Arbeitnehmer während der Krankheit zu kündigen. Arbeitnehmer müssen nämlich in ihrer Abwesenheit (Krankheit, Urlaub, Gefängnis usw.) immer dafür Sorge tragen, dass sie Erklärungen des Arbeitgebers erhalten können.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die unverschuldet erkrankt sind, werden vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes durch Kündigung besonders geschützt. Dieser Schutz ergibt sich nur mittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften (BGB und Kündigungsschutzgesetz), sondern in erster Linie aus Grundsätzen, die die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung für die Frage nach der Rechtmäßigkeit von krankheitsbedingten Kündigungen entwickelt hat.

Unterschied zwischen Langzeiterkrankung und häufiger Kurzerkrankung

Rechtsanwalt Sendler: „Im Wesentlichen unterscheidet die Rechtsprechung zwischen der Kündigung wegen langanhaltender Krankheit und derjenigen wegen häufiger Kurzerkrankungen. Für beide Arten der krankheitsbedingten Kündigung hat das Bundesarbeitsgericht Prüfungsmaßstäbe entwickelt, die für die Begründung einer krankheitsbedingten Kündigung eine präzise Darstellung der vergangenen Krankheitsentwicklung und der prognostizierten zukünftigen Verläufe erforderlich machen. Im Zusammenspiel mit schwer widerlegbaren ärztlichen Diagnosen resultieren hieraus für die den Arbeitgeber beratenden Anwältinnen und Anwälte erhebliche Risiken bei der Einschätzung, ob unter den gegebenen Umständen eine krankheitsbedingte Kündigung gerechtfertigt sein kann.“

Für eine Kündigung wegen langanhaltender Krankheit muss der Arbeitgeber darlegen, dass eine Wiedergenesung des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin innerhalb eines zumutbaren Zeitraums nicht absehbar und es ist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten ist, den Arbeitsplatz auf unabsehbare Zeit freizuhalten oder befristet anderweitig zu besetzen. Außerdem muss der Arbeitgeber darlegen, dass aufgrund der bisher bekannten Prognosen für absehbare Zeit nicht damit zu rechnen ist, dass die oder der Arbeitnehmer wieder die vertraglich geschuldete Tätigkeit ausüben kann. Dann stellt sich noch die Frage nach einem alternativen Arbeitsplatz im Betrieb, den die oder der Erkrankte, gegebenenfalls unter geänderten Arbeitsbedingungen, besetzen kann.

Bei der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen muss der Arbeitgeber darlegen, dass er durch häufige Kurzerkrankungen, die immer wieder den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum auslösen, mit erheblichen Kosten belastet ist, die angesichts der nicht erbrachten Arbeitsleistung eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung darstellen.

Rechtsanwalt Sendler: „Um dies darzulegen, muss der Arbeitgeber in der Regel die bisherigen Krankheitsausfälle in der Vergangenheit im Einzelnen darstellen, bei lang andauernden Arbeitsverhältnissen gegebenenfalls über einen Zeitraum von bis zu drei Jahren. Hieraus muss sich dann die Prognose ableiten lassen, dass auch zukünftig mit erheblichen Krankheitsausfällen zu rechnen ist, die immer wieder die Entgeltfortzahlungspflicht auslösen.“

BEM und Prognose: Voraussetzungen für eine wirksame Kündigung wegen Krankheit

In beiden Fällen, also bei Langzeiterkrankung und häufigen Kurzerkrankungen, muss der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gemäß den Regeln aus dem Schwerbehindertenrecht (SGB IX) unternommen haben. Diese Pflicht besteht, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind. Der Arbeitgeber hat dann unter Einbeziehung der zuständigen Interessenvertretungen (Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung) mit der betroffenen Arbeitnehmerin oder dem betroffenen Arbeitnehmer die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden werden oder erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Anwalt Sendler: “Geschieht dies nicht, wertet die Rechtsprechung das als Grund für die Unwirksamkeit der Kündigung, es sei denn, der Arbeitgeber weist nach, dass auch ein BEM nicht zu einer Vermeidbarkeit der Kündigung wegen Krankheit geführt hätte. Das ist in der Regel kaum möglich.“

Da im Rahmen des BEM in erheblichem Umfang Gesundheitsdaten der Arbeitnehmer erhoben werden müssen, bedarf die Durchführung des BEM auch intensiver Vorbereitung in datenschutzrechtlicher Hinsicht.

Rechtsanwalt Sendler: „Die Arbeitnehmer müssen sorgfältig über den Umfang der Erhebung von personenbezogenen Daten und die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten informiert werden, sonst riskiert der Arbeitgeber die Unwirksamkeit seines BEM-Verfahrens und gegebenenfalls die hieraus folgende Unwirksamkeit der Kündigung.“

Insgesamt hat das deutsche Arbeitsrecht sehr hohe Hürden aufgebaut, damit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Falle von Krankheit vor ungerechtfertigten Kündigungen geschützt werden.

Anwalt Sendler: „Von einer krankheitsbedingten Kündigung Betroffene sollten auf jeden Fall die Kündigung von Fachanwälten für Arbeitsrecht auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen lassen. In diesem Zusammenhang muss unbedingt beachtet werden, dass eine Kündigung immer nur binnen einer Frist von drei Wochen seit Erhalt durch Anrufung des Arbeitsgerichts auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann.“

Häufig gestellte Fragen zur Kündigung wegen Krankheit

Ja, eine Kündigung während einer Krankheit ist grundsätzlich möglich, aber nicht wegen der Krankheit. Eine krankheitsbedingte Kündigung muss strenge arbeitsrechtliche Voraussetzungen erfüllen.

Eine Kündigung wegen Krankheit ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, etwa bei einer Langzeiterkrankung ohne Aussicht auf Besserung oder bei häufigen Kurzerkrankungen mit erheblicher betrieblicher Belastung.

Der Arbeitgeber muss dokumentieren: die Dauer und Häufigkeit der Krankheitszeiten, die negative Gesundheitsprognose (oft durch ein ärztliches Gutachten) und die daraus entstehende betriebliche Belastung.

Bei Langzeiterkrankung geht es um dauerhafte Arbeitsunfähigkeit ohne absehbare Genesung. Bei Kurzerkrankungen liegt der Fokus auf der Häufung vieler einzelner, jeweils entgeltfortzahlungspflichtiger Erkrankungsphasen.

Ja, auch psychische Erkrankungen können im arbeitsrechtlichen Sinne eine krankheitsbedingte Kündigung rechtfertigen, aber nur bei negativer Gesundheitsprognose und erheblicher betrieblicher Beeinträchtigung. Es gelten dieselben Hürden wie bei anderen Erkrankungen.

Ja, im Rahmen der sogenannten „ultima-ratio“-Prüfung muss der Arbeitgeber prüfen, ob der oder die Erkrankte auf einem anderen zumutbaren Arbeitsplatz im Unternehmen weiterbeschäftigt werden kann.

Das BEM ist gesetzlich vorgeschrieben, wenn Beschäftigte länger als sechs Wochen im Jahr arbeitsunfähig sind. Es muss vor jeder krankheitsbedingten Kündigung ernsthaft angeboten und durchgeführt werden, andernfalls droht die Unwirksamkeit der Kündigung.

Wenn ein Arbeitnehmer das BEM ausdrücklich ablehnt, kann dies dem Arbeitgeber zugutekommen. Er ist dann nicht mehr verpflichtet, das Verfahren durchzuführen, muss aber n achweisen, dass er das BEM ernsthaft angeboten hat.

Beim BEM müssen Gesundheitsdaten verarbeitet werden. Deshalb ist eine umfassende Information und Einwilligung der betroffenen Person erforderlich. Fehler in der datenschutzrechtlichen Umsetzung können zur Unwirksamkeit des BEM und damit der Kündigung führen.

Nach sechs Wochen endet die Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber. Danach zahlt die Krankenkasse Krankengeld in Höhe von etwa 70 % des Nettoentgelts.

Streit entsteht oft, wenn unklar ist, ob es sich um dieselbe Erkrankung handelt wie bei einer früheren Krankmeldung. Ist das der Fall, zählen die Sechs Wochen nicht neu.

Die Klagefrist beträgt drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Innerhalb dieser Frist muss beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erhoben werden.

Während der Probezeit gilt der allgemeine Kündigungsschutz noch nicht. Eine Kündigung ist daher mit einer kürzeren Frist möglich, aber auch hier darf sie nicht willkürlich oder diskriminierend erfolgen.

Ralph Sendler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Datenschutzbeauftragter Hamburg

Ralph Sendler

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