Erziehungsurlaub oder doch Elternzeit?

Seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass auf Kinderspielplätzen häufig die Väter die Mehrheit der Aufsichtspersonen bilden. Offensichtlich hat sich die Einstellung der Eltern zur Aufteilung der Kinderbetreuung gewandelt. Hierzu tragen sicherlich die in den letzten Jahren sukzessiv vollzogenen Erweiterungen der Arbeitnehmerrechte beider Elternteile während der ersten acht Lebensjahre des Nachwuchses bei.

Bis zum Jahr 2000 war in der deutschen Gesetzgebung von „Erziehungsurlaub“ die Rede, was als missverständlich kritisiert wurde, weil der Einsatz und Aufwand der Eltern in dieser Zeit keineswegs Urlaubscharakter hat. Seit 2001 ist daher „Elternzeit“ der allgemeine Begriff, der im Folgenden auch als „Betreuungszeit“ oder „Erziehungszeit“ bezeichnet wird.

Rechtsanwalt Sendler: „Der Anspruch auf Elternzeit ist in § 15 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) geregelt, ein typisch deutsches Wortungetüm. Die folgenden Ausführungen befassen sich nicht mit dem Elterngeld, sondern nur mit dem Recht beider Eltern auf die Inanspruchnahme dieser Betreuungszeit. Dieses Recht besteht unabhängig vom Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt des Anspruchsinhabers. Voraussetzung ist jedoch, dass ein Arbeitsverhältnis nach deutschem Arbeitsrecht geschlossen wurde.“

Da der Anspruch zunächst alleine auf die Befreiung von der im Arbeitsverhältnis bestehenden Arbeitspflicht gerichtet ist, haben Selbstständige und Freiberufler keinen Anspruch auf diese Zeit.

Den Anspruch auf Elternzeit nach § 15 BEEG können Arbeitnehmer zur Betreuung und Erziehung eines Kindes geltend machen, mit dem sie in einem Haushalt leben. Voraussetzung ist ein bestehendes und zu Beginn der Betreuungszeit andauerndes Arbeitsverhältnis, sodass die Regelungen auch für Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte, Auszubildende und befristete Arbeitsverhältnisse gelten.

Anwalt Sendler: „Es muss sich nicht um das leibliche Kind der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers handeln, sodass Elternzeit auch für Adoptivkinder, Kinder des Ehe- oder Lebenspartners oder für Kinder, die in Vollzeitpflege in den Haushalt aufgenommen sind, beansprucht werden kann. Auch können in einem Arbeitsverhältnis stehende Großeltern Betreuungszeit für ihr Enkelkind beanspruchen, wenn der Elternteil des Kindes minderjährig ist oder sich im letzten oder vorletzten Jahr einer Ausbildung befindet, die vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde. Der Anspruch der Großeltern besteht aber nur, wenn keiner der Elternteile des Kindes selbst für sich Elternzeit beansprucht.“

Der Anspruch auf Elternzeit besteht für jeden Elternteil bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes. Beide Elternteile können ganz oder zeitweise zusammen in diese Zeit gehen. Die nach Geburt beginnende Mutterschutzfrist von acht Wochen wird auf die Betreuungszeit angerechnet, führt also für die Mutter nicht zu einer Verlängerung über die dreijährige Gesamtdauer hinaus. Von den 36 Monaten Elternzeit können bis zu 24 Monate auf die Zeit zwischen dem 3. und 8. Geburtstag des Kindes übertragen werden, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Der Arbeitgeber kann eine Übertragung der Erziehungszeit in diesem Zeitraum nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Er muss dies innerhalb von acht Wochen nach Eingang des Antrags tun.

Anwalt Sendler: „Jeder Elternteil kann seine Elternzeit in max. 3 Zeitabschnitte aufteilen. Wenn der Arbeitgeber zustimmt, dürfen es auch mehr sein. Der Arbeitgeber kann eine Übertragung des Anspruchs im 3. Zeitraum zwischen dem 3. Geburtstag und der Vollendung des 8. Lebensjahres nur aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen. Er muss dies innerhalb von acht Wochen nach Eingang des Antrags tun. Beachtet werden sollte für die Mutter auf jeden Fall der sogenannte „Bindungszeitraum“: Er beträgt einschließlich der Mutterschutzfrist nach der Geburt zwei Jahre bis zum Tag vor dem 2. Geburtstag des Kindes. An eine für diesen Bindungszeitraum beantragte Elternzeit ist die Mutter gebunden und kann diese nur mit Zustimmung des Arbeitgebers ändern. Nach Ablauf dieses Bindungszeitraums kann die Mutter die verbleibende Zeit frei nutzen. Der Bindungszeitraum soll es dem Arbeitgeber ermöglichen, verlässlich für diese Zeit planen zu können (Vertretung etc.).“

Wer Erziehungszeit beanspruchen will, muss sie spätestens sieben Wochen vor Beginn schriftlich vom Arbeitgeber verlangen und gleichzeitig verbindlich erklären, für welche Zeiten innerhalb von zwei Jahren sie genommen werden soll.

Rechtsanwalt Sendler: „Für diesen Antrag ist unbedingt zu beachten, dass er tatsächlich nur mit der Schriftform des § 126 BGB gestellt werden kann, d. h. Schreiben mit Original-Unterschrift, weder Mail noch Fax, reichen aus. Soll die Elternzeit zwischen dem 3. und 8. Geburtstag des Kindes genommen werden, beträgt die Anmeldefrist 13 Wochen.“

Wenn die Mutter während einer laufenden Betreuungszeit ein weiteres Kind bekommt, dann kann sie auch für das weitere Kind Elternzeit nehmen. Die erste Zeit läuft aber zunächst wie vereinbart weiter und die zweite kann daher frühestens nach der ersten Betreuungszeit genommen werden.

Anwalt Sendler: „Allerdings hat die Mutter die Möglichkeit, die Erziehungszeit vorzeitig zu beenden, um den Mutterschutz nehmen zu können. Dieser beginnt normalerweise sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin und acht Wochen danach. Wenn die erste Elternzeit für den Mutterschutz vorzeitig beendet werden soll, bedarf es keiner Zustimmung des Arbeitgebers, dieser muss aber rechtzeitig informiert werden. Das Bundesarbeitsgericht hat für Recht erkannt, dass Arbeitnehmer nach Geburt eines weiteren Kindes die laufende Betreuungszeit vorzeitig beenden und die nicht verwendete Zeit an das Ende der zweiten anhängen können, wenn keine wichtigen betrieblichen Gründe entgegenstehen.“

Während der Elternzeit darf jeder Elternteil höchstens 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats erwerbstätig sein. Sollte diese Erwerbstätigkeit während der Erziehungszeit bei einem anderen Arbeitgeber oder in Selbstständigkeit ausgeübt werden, bedarf es der Zustimmung des Arbeitgebers, der diese nur innerhalb von vier Wochen aus dringenden betrieblichen Gründen schriftlich ablehnen kann.

Rechtsanwalt Sendler: „Wird ein Elternteil während der Elternzeit krank, hat dies keine Auswirkung auf die Dauer der Betreuungszeit. Nach deren Beginn gibt es auch keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz, weil das Arbeitsverhältnis ruht. Anders verhält es sich bei Teilzeit während der Elternzeit, hier besteht wegen des teilweisen Wiederauflebens des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Umfang der Teilzeitvergütung.“

Nach § 17 Absatz 1 BEEG kann der Erholungsurlaub, der dem Elternteil, der Elternzeit in Anspruch nimmt, für das Kalenderjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Erziehungszeit durch den Arbeitgeber um ein Zwölftel gekürzt werden, sofern der Elternteil in der Betreuungszeit keine Teilzeit arbeitet.

Anwalt Sendler: „Die Kürzung erfolgt nicht durch Gesetz, sondern muss mit empfangsbedürftiger Willenserklärung des Arbeitgebers geschehen, die auch noch nach dem Ende der Elternzeit erfolgen kann. Resturlaub aus der Zeit vor Beginn der Betreuungszeit muss der Arbeitgeber nach dieser Zeit im laufenden oder nächsten Urlaubsjahr gewähren.“

Ab dem Zeitpunkt, von dem an die Elternzeit verlangt wird, besteht nach § 18 BEEG ein Kündigungsverbot für den Arbeitgeber. Dieses beginnt frühestens acht Wochen vor Beginn einer Betreuungszeit bis zum vollendeten 3. Lebensjahr des Kindes und frühestens 14 Wochen vor Beginn einer Erziehungszeit zwischen dem 3. Geburtstag und dem vollendeten 8. Lebensjahr des Kindes. Während der Elternzeit selbst darf der Arbeitgeber nicht kündigen.

Anwalt Sendler: „Insgesamt sind die Regularien zur Elternzeit nach dem BEEG derart komplex und die in Betracht kommenden Fallgestaltungen so unübersichtlich, dass den Eltern bzw. insbesondere der werdenden Mutter angeraten werden muss, sich rechtzeitig vor der Stellung eines Antrages an den Arbeitgeber anwaltlich über die erforderlichen Schritte zur Vermeidung von Rechtsverlusten beraten zu lassen.“

Ralph Sendler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Datenschutzbeauftragter Hamburg

Ralph Sendler

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