Arbeitszeugnis – wohlwollende Flunkerei oder hilfreiche Bewertung?

In der heutigen Arbeitswelt spielen Arbeitszeugnisse immer noch eine zentrale Rolle für das berufliche Fortkommen. Ein gut formuliertes Arbeitszeugnis mit überdurchschnittlicher Bewertung kann im Bewerbungsverfahren von entscheidender Bedeutung sein.

Rechtsanwalt Sendler: „Dieser Befund erstaunt den Praktiker, wenn man bedenkt, wie häufig die Qualität eines Zeugnisses bzw. die Benotung Verhandlungsgegenstand in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen sind. Da wird dann arbeitgeberseits gerne einmal ein mindestens gutes Zeugnis versprochen, obgleich die tatsächlich unterdurchschnittliche Leistung Ursache für die Trennung gewesen ist. Umsichtige Personaler:innen halten dann auch vielfach in Kenntnis der zweifelhaften Realitätsnähe von Arbeitszeugnissen Rücksprache mit dem Vorarbeitgeber.

Im Folgenden erfahren Sie alles Wichtige über Arbeitszeugnisse, deren Bedeutung, die rechtlichen Grundlagen und Tipps zur Erstellung.“

Was ist ein Arbeitszeugnis?

Ein Arbeitszeugnis ist ein offizielles Dokument, das von einem Arbeitgeber ausgestellt wird und die Beschäftigung eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin bestätigt. Es enthält Informationen über die Dauer der Anstellung, die Tätigkeitsbereiche sowie eine Beurteilung der Leistungen und des Verhaltens.

Warum ist ein Arbeitszeugnis grundsätzlich wichtig? Es dient nicht nur als Nachweis der beruflichen Laufbahn im Unternehmen, sondern hat auch einen Einfluss auf die zukünftigen Bewerbungschancen. Arbeitgeber nutzen Arbeitszeugnisse, um die Qualifikationen und die Eignung von Bewerberinnen oder Bewerbern zu bewerten. Ein positives Zeugnis kann daher die Chancen auf eine neue Anstellung erheblich verbessern.

Gesetzlicher Anspruch auf ein Arbeitszeugnis in Deutschland

In Deutschland haben Arbeitnehmer: innen einen gesetzlichen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Dieses muss wohlwollend und damit berufsfördernd formuliert sein und darf keine falschen Tatsachen enthalten.

Rechtsanwalt Sendler: „So verlangen etwa gekündigte Arbeitnehmer häufig die Formulierung in einem Zeugnis, sie hätten das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen. Hierauf besteht grundsätzlich kein Anspruch.“

Arten von Arbeitszeugnissen: Einfach und qualifiziert

Es gibt zwei Hauptarten von Arbeitszeugnissen: Das einfache Zeugnis, das in der Regel nach sehr kurzer Beschäftigung erteilt wird, muss nur Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit enthalten. Das sogenannte qualifizierte Zeugnis enthält darüber hinaus Angaben zu Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis.

Ein gut strukturiertes Arbeitszeugnis folgt einem bestimmten Aufbau: Die Einleitung enthält Angaben zur Person und zum Beschäftigungszeitraum. Die Tätigkeitsbeschreibung enthält detaillierte Darstellungen der ausgeübten Tätigkeiten. Hiernach folgt die Leistungsbeurteilung, nämlich die Erwähnung besonderer Fachkenntnisse und insbesondere die Bewertung der Arbeitsergebnisse. Schließlich folgt eine Einschätzung des sozialen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden.

Anwalt Sendler: „Die in der Praxis am häufigsten vorkommenden Noten werden mit bestimmten Formulierungen ausgedrückt: Eine befriedigende Bewertung (3) wird üblicherweise mit „stets zu unserer Zufriedenheit“ umschrieben, eine gute Note (2) in der Regel mit „stets zu unserer vollen Zufriedenheit“ und eine sehr gute Note (1) drückt sich in der grammatikalisch falschen Beschreibung „stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ aus.

Tipps zur Erstellung eines wohlwollenden Arbeitszeugnisses

Bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses sollte stets eine klare und verständliche Sprache gewählt werden. Es sind Formulierungen zu bevorzugen, die positiv klingen, auch wenn die tatsächliche Bewertung zurückhaltender ist. Auf keinen Fall sollten negative Formulierungen (“ häufig krank“) verwendet werden, dies stünde dem Anspruch auf ein wohlwollendes Zeugnis entgegen.

Rechtsanwalt Sendler: „Die gesetzlichen Anforderungen, denen das Arbeitszeugnis zu entsprechen hat, zwingen Arbeitgeber häufig zu einem Spagat. Denn vielfach erlebt man Arbeitgeber, die bei der Abfassung des Zeugnisses vor Wut kochen über die schlechte Performance, die schließlich zur Trennung geführt hat, und dem Zwang, nun wohlwollende Worte im Zeugnis zu finden. In dieser Situation versuchen einige Arbeitgeber, in dem Zeugnis Formulierungen unterzubringen, die dem neuen Arbeitgeber als versteckte Hinweise auf tatsächliche Leistungsdefizite dienen.

Wenn Arbeitnehmerinnen und der Arbeitnehmer in dieser Hinsicht Zweifel an der Wahrhaftigkeit des Zeugnisinhaltes haben, sollten sie im Hinblick auf die Wichtigkeit des Arbeitszeugnisses nicht zögern und anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen.“

Ralph Sendler, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Datenschutzbeauftragter Hamburg

Ralph Sendler

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